Background image: Mendizorroza Stadium (Deportivo Alavés, Second Division). Vitoria-Gasteiz, Basque Country, Spain. Season 1952/53


Eine neue, empirische Studie untersucht erstmals die Realität von Frauen als Fans im polnischen Fußball: Radoslaw Kossakowski von der Universität Danzig veröffentlichte in Zusammenarbeit mit Dominik Antonowicz (Torun, PL) und Honorata Jakubowska (Poznan, PL) eine 17-seitige Arbeit, die die Rolle weiblicher Fans in der polnischen Fußball-Fankultur beleuchtet.

 „Die meisten Forschungsarbeiten über Ultràs und Hooligans neigen dazu, den Gender-Faktor herunterzuspielen", so der Artikel zu Beginn. Die Autor*innen versuchen hingegen, das genaue Gegenteil zu tun und stellen die Frauen in den Mittelpunkt. Nach ihren Erkenntnissen scheinen Fußballstadien in Polen demnach eine der wenigen verbleibenden „Bastionen der Männerherrschaft“ zu sein. Die sozialen Ränge und Ordnungen sind fest etabliert und die bewusste Geschlechtertrennung wird bis heute aufrechterhalten. In der Praxis werden Frauen von einer Mehrheit männlicher Fans als „untergeordnete Zuschauer“ denn als wirkliche Supporter betrachtet.

„Marginalisiert, bevormundet und instrumentalisiert“ – solche Schlussfolgerungen der Forscher*innen sind für diejenigen, die Ausgrenzung von Frauen in Fußballvereinen erlebt haben, womöglich nichts sonderlich Neues.

Die Studie belegt diese Erfahrungen jedoch für die polnischen Fußballrealitäten erstmals wissenschaftlich; unter anderem wurden dafür 131 Ausgaben des führenden Ultrà-Magazins „To My Kibice“ (grob übersetzt: „Wir sind die Fans“) untersucht. Über einen Zeitraum von 13 Jahren wurde hier kein einziger Beitrag von Frauen verfasst. Männliche Autoren erwähnten die Frauen im Stadion in nicht einmal 5% ihrer Beiträge. Innerhalb dieser wenigen Texte beziehen sie sich häufig mit sexualisierenden oder unterordnenden Bezeichnungen („Chick“, „Prinzessin“) auf das weibliche Geschlecht; selbst scheinbar neutrales Vokabular wie „Frauen“ oder „Mädchen“ wird überwiegend zur bewussten Unterscheidung zwischen „echten“, in diesem Fall also männlichen, und weiblichen Supportern genutzt.

Alles in allem bietet die Studie einen interessanten Einblick in die polnische Fußball-Fankultur im Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter – mit Fokus auf Texte der führenden Ultràgruppen, zeichnet sie ein ernüchterndes Bild der Rolle der Frauen in den Fankurven des Landes.

Quellennachweis: „Marginalised, patronised and instrumentalised: Polish female fans in the ultras’ narratives” von R. Kossakowski, D. Antonowicz und H. Jakubowska wurde am 25. Juni 2018 im Forschungsmagazin “International Review for the Sociology of Sport” veröffentlicht.

ÜBER "FAN.TASTIC RESEARCH": Weibliche Fußballfans sind kaum erforscht; es gibt nur einige wenige Forscher*innen, die sich bislang überhaupt damit beschäftigen. Es ist daher nicht einfach, wissenschaftliches Material zum Thema zu finden. In der Kategorie „Fan.Tastic RESEARCH“ wollen wir dies ändern und künftig in unregelmäßigen Abständen neue oder interessante wissenschaftliche Arbeiten über Frauen in den Fankurven Europas vorstellen.